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  • 10. Januar 2023
    Habecks Liebling

    Mariana Mazzucato Foto marianamazzucato.com

    Dieser Artikel in der FAZ

    Mariana Mazzucato oder: Warum ein unternehmerischer Staat scheitern muss

    Der Staat muss der Wirtschaft die Richtung weisen. Das ist die zentrale Botschaft der italoamerikanischen Ökonomin Mariana Mazzucato: Im Kampf gegen die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts, vor allem gegen den Klimawandel, sei der Markt überfordert, sagt sie. Den Unternehmen fehle der gute Wille, die richtigen Anreize und die Übersicht, das dringend Gebotene zu unternehmen. Deshalb müsse der Staat ran. Er soll sich vom Nachtwächterstaat, der lediglich den Rahmen setzt, zum »unternehmerischen Staat« häuten, der gesellschaftliche Werte generiert, aktiv in Märkte eingreift und privatwirtschaftliche Entscheidungen lenkt.

    Mit dieser Mission im Gepäck tourt Mariana Mazzucato seit geraumer Zeit um die Welt, berät Regierungen und kann sich vor Anfragen und Aufträgen nicht mehr retten. Ihre Interviews gibt sie im Stakkato-Tempo, schließlich wartet der nächste Kunde schon. Eine erfolgreiche Privatunternehmerin ist Frau Mazzucato auf jeden Fall. Ihre Ressourcen-Basis erhält sie vom staatlichen University College in London. Wenn man so will, ist sie selbst das beste Beispiel des unternehmerischen Staates. Als Wissenschaftskommunikatorin neuen Typs gleicht sie den umtriebigen deutschen Popularisierern Maja Göpel (»Wir können auch anders«) oder Richard David Precht (»Die Kunst, kein Egoist zu sein«). Sie alle wollen sich nicht damit begnügen, die Welt zu erkennen und zu beschreiben, sondern leben von der Überzeugung, sie verändern zu müssen, selbstredend zum Besseren. Deren Lebensraum ist nicht der Elfenbeinturm, sondern der TED-Talk.

    Der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck wurde mit einer Liebeserklärung an Mariana Mazzucato berühmt: Im Interview mit der Frauenzeitschrift »Myself« nannte er sie eine von sieben Frauen, die sein Leben verändert hätten. Ein bisschen spät, wie immer, hat nun auch der »Spiegel« zum Auftakt des neuen Jahres die Dame entdeckt. Und sie zur wahren Erbin von Karl Marx gekürt (klar, Männer sind heutzutage für solche welthistorischen Revolutionen nicht mehr zu gebrauchen).

    Schumpeter und Polanyei, nicht Marx

    Die Krönung als Marx-Epigonin ist doppelt daneben: Denn mit Marx hat Frau Mazzucato nichts am Hut. Das Reich der Freiheit sieht sie nicht im Kommunismus oder Sozialismus, sondern in einer vom Staat gelenkten Marktwirtschaft, in welcher die großen industriepolitischen Projekte von den Regierungen vorgegeben werden, der Turbo-Kapitalismus gesellschaftlich gezähmt und »eingebettet« wird und die privaten Unternehmen in ihren Zielen und ihrem Engagement vom »fortschrittlichen Engagement« der Bürger getragen und angeleitet werden. Die Helden von Marina Mazzucato heißen nicht Marx und Lenin, sondern Karl Polanyi und Joseph A. Schumpeter, zwei berühmte österreichische Ökonomen des 20. Jahrhunderts, die in England und in den USA lehrten und wirkten. Von Polanyi hat Mazzucato die Idee einer gesellschaftlichen Einbettung wirtschaftlicher Prozesse in die Lebenswelt der Menschen. Von Schumpeter übernimmt sie den emphatischen Begriff des Unternehmers als Treiber von Fortschritt und Wachstum, den sie analog auf die neue Rolle des Staates überträgt. Ihr Musterstaat ist nicht die Sowjetunion, sondern das Schweden Olof Palmes oder der New Deal Franklin D. Roosevelts. Der Preis dafür, Mazzucato in Deutschland bekannt gemacht zu haben gebührt, nebenbei bemerkt, der Münchner Verlegerin Antje Kunstmann (eine wahre Schumpeterianische Unternehmerin), die das hohe Risiko einging, Mazzucatos »The Enterpreneurial State«, 2013 in England erschienen, ein Jahr später auf Deutsch herauszubringen, als sie noch kein Mensch kannte, leider unter dem völlig nichtssagenden Titel »Das Kapital des Staates«.

    Doch was ist dran an der These, dass in Zeiten von Klimawandel, Pandemie und Ukrainekrieg der Staat die »Kommandohügel« (Lenin) besetzen und den kurzschlüssig profitorientiert agierenden Markt entmachten müsse? Beginnen wir mit dem Klima: Anreize wie der Emissionshandel und eine CO2–Steuer seien ja ganz hübsch, sagt Frau Mazzucato. Wirkungsvoller sei es, wenn der Industrie vorgeschrieben werde, zum Beispiel nur noch »grünen« Zement zu verwenden und der Staat dies dann finanziell aus Steuermitteln honoriere. Aber Hallo! – hat nicht gerade der deutsche Staat seit Jahren Wind- und Sonnenenergie mit Milliarden Steuergeld gefördert, welches die Unternehmen dankbar einstrichen. Und trotzdem werden immer noch 80 Prozent unseres Bedarfs mit fossilen Energien gedeckt. Die Klimapolitik unterliege einem »großen Designfehler«, sagt Frau Mazzucato, und meint damit, es brauche halt noch mehr Zwang. In Wirklichkeit besteht der größte Designfehler darin, dass es bis heute keinen Klimaclub der willigen Staaten gibt, der den Marktmechanismus des Emissionshandels für alle Mitglieder verpflichtend macht und Nichtmitglieder mit Importzöllen bestraft.

    Es braucht mutige Investoren

    Auch Corona ist kein gutes Beispiel. Der phänomenale Erfolg von BionTech beruht auf den Ideen des Gründerpaares und den Millioneninvestitionen der Strüngmann-Milliardäre, die ins Risiko gingen als noch kein Profit winkte. Als der deutsche Staat nach Ausbruch der Pandemie es den Privatinvestoren gleichtun wollte, hat er mit Curevac prompt auf das falsche Pferd gesetzt und Steuergeld verbrannt ohne epidemiologischen Nutzen. Wer schließlich wissen will, wie erfolgreich staatliches Unternehmerhandeln in der Kriegswirtschaft ist, soll sich die Bilanz der Kriegsministerin Christine Lambrecht anschauen. Die deutsche Rüstungsindustrie macht dabei freilich auch nicht Bella Figura.
    Der Staat ist eben nicht der bessere Unternehmer. Mazzucatos »Unternehmerstaat« ist ein Mythos, wie die Ökonomin Deidre McCloskey zeigt. Es ist und bleibt eine Anmaßung zu sagen, der Staat habe ein überlegenes Wissen und ein ökonomisches Monopol auf den gesellschaftlichen Fortschritt. Im Gegenteil: Der demokratische Staat übernimmt sich, wird autoritär und illiberal. Ein Ministerium für Innovationspolitik sei ein ähnlicher Unfug wie ein Ministerium für Sprache oder Rock Musik, lästert McCloskey. Innnovationen sind unvorhersehbar. Deshalb sind sie, logisch zwingend, auch nicht planbar. Dass Politiker dies gerne hätten, überrascht nicht. Kein Wunder, dass sie alle und von jeglicher Couleur auf Mariana Mazzucato abfahren.

    Quatsch ist auch, wenn es jetzt als Lob einer »weiblichen Ökonomie« allenthalben heißt, die Arbeit von Wissenschaftlerinnen sei an den Bedürfnissen des Menschen orientiert und nicht an den Bedürfnissen des Marktes. Es ist doch gerade der Markt, der die Bedürfnisse der Menschen erfüllt. Kluge Frauen wie die Ökonomin Deirdre McCloskey wissen das.

    Rainer Hank