Rainer Hank als Illustration

Hanks Welt

‹ alle Artikel anzeigen
  • 01. Dezember 2022
    Elon Musk, das Ekel

    Heroe, Egomane: Elon Musk Foto pixabay

    Dieser Artikel in der FAZ

    Müssen große Unternehmer auch sympathisch sein?

    Ob ich noch bei Twitter sei, wollen die Leute von mir wissen. Achselzuckendes »Warum sollte ich nicht?« kommt nicht besonders gut, zwingt zu rechtfertigenden Erklärungen. Ich bin kein besonders aktiver Nutzer, meine Follower haben sich bei gut 5000 eingependelt. Das ist nicht überragend, aber okay. Ein paar Mal täglich schaue ich rein. Nicht immer, aber immer wieder komme ich mit ein paar Anregungen kluger Menschen wieder raus.

    Warum also sollte ich demissionieren? Klar, wegen Elon Musk, dem Bösewicht aus Texas, der den Laden nach einigem Hin und Her für 44 Milliarden Euro gekauft hat und sich dort jetzt als Elefant im Porzellanladen aufführt. Der Mann sei »unberechenbar«, werde von »negativen Emotionen« beherrscht, lese ich im »Manager Magazin«: Er agiere »durch und durch impulsiv und irrational«, knechte seine Mitarbeiter, die ihm jetzt in Scharen davonlaufen, sofern er sie nicht vorher selbst entlassen hat.

    Elon Musk, ein Egomane, ein Ekel, so das Bild, das von ihm gezeichnet wird, obwohl vermutlich die wenigsten, die ihn porträtieren, den Mann zu Gesicht bekommen haben. Ich war kurz davor zu fragen, warum bei Twitter überhaupt noch jemand aktiv ist, dort für Werbung bezahlt und nicht alle längst nach Mastodon emigriert sind, hätte nicht ein Blick in angelsächsische Zeitungen das Bild der deutschen Medien korrigiert: Nach dem Einstieg bei Twitter gingen die Zahlen nach oben auf inzwischen 245 Millionen, so viele Nutzer wie noch nie. Gut, mit den knapp drei Milliarden, die sich auf Facebook tummeln, kann Twitter nicht konkurrieren. Aber warum steigen die Nutzerzahlen, wenn Twitter ein Tohuwabohu ist und Musk ein Ekel? Die Neuzugänge können nicht ausschließlich verirrte Trumpisten sein, die dort die Stimme ihres Herrn hören wollen.

    Keine Sorge, ich will mich nicht mit Elon Musk anfreunden. Mich interessieren drei Dinge: Was hat der Mann geleistet? Warum zieht er so viel Hass auf sich? Müssen große Unternehmer nette Menschen sein?

    Schumpeter und die kreative Zerstörung

    Beginnen wir mit der unternehmerischen Leistung: Während hierzulande längst schon alle Welt die drohende Klimakatastrophe an die Wand malte, begann Musk in Kalifornien damit, unter der Marke Tesla Elektroautos zu bauen, die zudem noch irgendwie schön aussehen. Statt dass die Manager und Ingenieure im Stammland der Autobauer sich was abguckten, haben sie Musk bei Mercedes & Co. entweder ignoriert oder als Spinner verhöhnt: Diese verrückte Idee mit den Batterieautos sei nichts für den Massenmarkt – s o sprachen die Neunmalklugen noch Mitte der Nullerjahre.

    Inzwischen überzeugt Musk vom Gegenteil, die Batterien speichern mehr Strom, die Autos fahren bald von allein – und das sogar hierzulande: In Brandenburg stellte Musk gegen alle bürokratischen Widerstände eine Fabrik auf die Wiese, bei der in der Endstufe jährlich eine halbe Million Autos vom Band laufen werden. Und bis zu 40 000 Arbeiter ihr Einkommen haben werden (ist ja nicht gerade die strukturstärkste Gegend Deutschlands). Und was passiert? Statt dass ihm von der IG Metall bis zu Fridays for Future vierstimmig Willkommenschöre gesungen werden, hagelt es Kritik. Die Gewerkschaften kritisieren, dass er nicht längst einen Betriebsrat gründet und in den Arbeitgeberverband eintritt. Die Klimaretter sorgen sich um die Brandenburgische Biene (Biodiversität) und um den Grundwasserspiegel. Die AfD schließt sich den Protesten solidarisch an.
    Dabei hätten die Zukunftsfreunde Musk auf ihrer Seite. SpaceX, sein Weltallprojekt, ist quasi ein Alternativprojekt zum Globus wie wir ihn kennen, sollte das Anthropozän hienieden ein Auslaufmodell und die Erde unbewohnbar werden. Und mit »Neuralink« will der geniale Spinner verhindern, dass Roboter mit Künstlicher Intelligenz künftig die volle Macht über uns bekommen. Statt dass die Last-Generation ihm Lorbeerkränze flicht und die Blogger ihn feiern, bezichtigen Sascha Lobo und seine Freunde Musk als Mitglied einer Sekte (»Longtermism«) und beschimpfen ihn als faschistoiden Sozialdarwinisten.

    Selbst dafür, dass Musk sein Satelliten-Netzwerk »Starlink« samt Internet nach Ausbruch des Krieges der Ukraine kostenlos zur Verfügung stellte, hagelte es Kritik statt Dank, weil er Friedensverhandlungen und eine Abstimmung im Donbas ins Spiel brachte. So etwas haben deutsche Intellektuelle von Jürgen Habermas bis Richard David Precht auch vorgeschlagen. Aber die dürfen das, weil sie linke Pazifisten sind.

    Das führt zur Frage, warum der Hass auf Elon Musk so wuchtig und nachhaltig ist. Ich sehe vier Gründe. Erstens, Musk ist kein Linksliberaler, sondern ein Rechtsliberaler, ist sogar – besonders übel – von links nach rechts konvertiert. Zweitens: Musk ist mit geschätzt 200 Milliarden Dollar Vermögen der reichste Mann der Welt. Das mögen wir nicht. Die Kritik an der amerikanischen Plutokratie – der Herrschaft der Reichen – hat hierzulande eine lange Tradition. Drittens, wie gesagt, Musk ist ein Unsympath und Großkotz. Und viertens: Musk ist ein genialer Erfinder und Unternehmer. Das schürt Neid.

    Ich lese zurzeit viel von und über den österreichischen Ökonomen Joseph Schumpeter (1885 bis 1950). Das ist der mit der »kreativen Zerstörung«. Ich bin sicher, Schumpeter fände Elon Musk gut, träfe er ihn zufällig auf dem Mars. Schumpeter charakterisiert Unternehmer als dynamisch-elitäre Typen. Sie haben »Freude am Erfolghaben«, am »Siegen über andere«. Solche Unternehmer, schreibt der Schumpeter-Kenner Heinz D. Kurz, wollen Firmenimperien gründen und wirtschaftliche Dynastien, sie wollen anderen Unternehmen ihren Willen aufzwingen, sie untertan machen, wollen als Gestalter, als Mächtige in die Geschichte eingehen wie ehedem große Feldherren und bedeutende Könige. Leute wie Musk haben ihren Nietzsche und Schopenhauer gelesen. Solche Kerle setzen »neue Kombinationen« durch, haben ein Gespür für Innovation und den unbedingten Willen, diese erfolgreich auf den Markt zu bringen. Wenn es ihnen an Geld fehlt, suchen sie sich Aktionäre, die an ihren Erfolg glauben, und Bankiers, die ihnen Geld leihen. Das ist riskant: Scheitern ist nicht ausgeschlossen; mancher von ihnen ist in seinem Größenwahn der Sonne zu nahegekommen – wie Ikarus.

    Klingt nicht wirklich sympathisch. Aber die Rastlosigkeit solcher Unternehmertypen ist die Quelle der Rastlosigkeit des Kapitalismus, auf dem unser aller Wohlstand beruht, mit dem die Armen sich aus der Armut befreien. Soweit ich sehe, haben wir in Deutschland seit den Tagen von Gottfried Daimler, Robert Bosch oder Werner von Siemens niemanden dieses Zuschnitts hervorgebracht. Hier glauben wir viel lieber, dass der Staat der bessere Unternehmer sei.

    Rainer Hank