Hanks Tagebuch
‹ alle Artikel anzeigen16. Januar 2020
Der 16. Januar 2020 – Franz Müntefering wird 80Eine Begegnung mit Franz Müntefering (»Münte«), am Vorabend seines 80. Geburtstags bei Markus Lanz, macht den meilenweiten Abstand deutlich zwischen der SPD von heute und der »Sozialdemokratie«, die er verkörpert. Ich erlebe Münte putzmunter, die legendäre knorrig-wortkarge Selbststilisierung hat er eher zurückgenommen, wirkt mit sich selbst im Reinen, hat nicht nötig, sich auf Kosten seiner Nachfolger zu profilieren. Um so deutlicher wir die Distanz: Seine Werte sind Leistung, Chancengleicheit und Selbstverantwortung (schließlich ist Albert Camus, nicht Marx, sein Lieblingsautor), das Aufstiegs- und Teilhabeversprechen gilt der arbeitende Bevölkerung (die Mitte der Gesellschaft ist der Daimler-Facharbeiter, nicht der Hartz-IV-Empfänger). Die heutige Doppelspitze begibt sich an die Ränder der Gesellschaft, denen sie wirre Verheißungen vom »demokratischen Sozialismus« macht. Kevin Kühnert ist zufrieden. Das Volk nicht: die SPD liegt bei 13 Prozent. Florian Gerster, SPD-Mann sein ganzes Leben lang, sagt, die SPD sei eine Sekte, nicht reformierbar – und tritt in die FDP ein (ob die reformierbar ist, bleibt offen).
Als ich Münfering das ehrlich gemeinte Kompliment mache, er sehe pfundig aus mit seinen 80 Jahren und ganz unverändert, konterte er: »Das liegt daran, dass ich immer schon alt aussah.« Die Lanz-Sendung kann man übrigens hier in der Mediathek anschauen.
Rainer Hank