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  • 27. Mai 2025
    Wer stoppt Trump?

    Eugen von Böhm-Bawerk (1851–1914), Nationalökonom und österreichischer Finanzminister Foto Stadt Wien

    Dieser Artikel in der FAZ

    Wenn es die Politik nicht schafft, dann vielleicht die Märkte

    Die Welt ist aus den Fugen. Wer könnte Donald Trump Einhalt gebieten?

    Gehen wir einige Kandidaten durch. Die amerikanischen Bürger werden es nicht sein. Sie haben Trump ein zweites Mal mit Mehrheit gewählt; seine demokratische Legitimation ist satter als in der ersten Regierungszeit. In Senat und Repräsentantenhaus hat er die Mehrheit. Dass es einen breiten Umschwung der öffentlichen Meinung der USA in den vergangenen Wochen gegeben hätte, davon ist nichts bekannt. Selbst aus Unternehmen, denen Trumps Zollpolitik nachweislich schaden wird, ist nichts von einem Aufstand der Belegschaften oder ihrer Gewerkschaften zu hören. Eine revolutionäre Stimmung sieht anders aus.

    Das Vertrauen in unabhängige rechtsstaatliche Institutionen als liberales Bollwerk gegen autokratische Politik ist in den vergangenen Wochen ebenfalls geschwunden. Vielfach ist Opportunismus zu sehen, sind an Trump gerichtet Loyalitätsadressen zu vernehmen. Richter urteilen Trump-freundlich, Großkanzleien schicken Ergebenheitsversprechen. Womöglich bringt Trump auch die unabhängige Notenbank Fed zum Einsturz, der er seine Vorstellungen einer wachstumsfreundlichen Zinspolitik aufzwingen will. Den Präsidenten der Fed beschimpft er als »Loser«, kündigte anschließend »gnädig« an, ihn gewähren zu lassen und nicht zu feuern.

    Blieben schließlich die Intellektuellen als potenzielle Akteure des Widerstands. Doch auch hier ist Fehlanzeige. Kluge Männer mit Geld (J. D. Vance, Peter Thiel, Alexander Karp) haben lange vor der Wahl schon die Lager gewechselt. Einzelne kritische Wissenschaftler verlassen die USA. Ein Braindrain ist das noch nicht; niemand zahlt seine Professoren so gut wie amerikanische Bildungseinrichtungen. Ganze Universitäten wie die Columbia-Universität in New York haben kapituliert. Andere Eliteinstitutionen wie Harvard widersetzen sich (noch).

    Die Aktienbörsen sind schlau und schnell

    Und was ist mit den Märkten? Einiges deutet darauf hin, dass Trump vor niemand anderem so viel Respekt hat wie vor Mr. Market. Als nach der Ankündigung der Zollmauer auf Importe aus Europa die Aktienmärkte einbrachen und der Dollar schwach wurde, knickte Trump ein und setzte die Zölle für 90 Tage aus. Das ist ein Zeichen, muss aber nicht viel heißen: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Die Zölle auf Produkte aus China und anderen asiatischen Ländern hat der Präsident nicht ausgesetzt. Trump ist niemand, der seine Ziele über den Haufen wirft. Wobei erschwerend hinzu kommt, dass diese Überzeugungen außerordentlich flatterhaft sind.

    Werden wir grundsätzlicher. Wie reagieren Finanzmärkte auf politische Ereignisse? Der S&P-500–Index, der den Wert der wichtigsten US-Unternehmen abbildet, hat sich in den knapp 70 Jahren, seit es ihn gibt, wenig von politischen Krisen irritieren lassen. Die Aktien des Börsenbarometers haben sich in dieser Zeit ver-250–facht, was einer durchschnittlichen jährliche Rendite von acht Prozent entspricht. Dabei waren die politischen Krisen in dieser Zeit nicht von Pappe: Korea-Krieg, Sputnik-Schock, Kubakrise, Ölkrise, Finanz-, Euro- und Coronakrise. Jedes Mal zeigt die Kurve einen kleinen oder größeren Zacken nach unten. Doch schnell kam Erholung.

    Wenn sich also die Aktienbörsen durch politische Krisen nicht irritieren lassen, so ist das eine gute Nachricht für Aktionäre, aber nicht zwingend für unsere Frage, wer Trump Einhalt gebieten könnte. Denn der könnte darauf setzen, dass die Märkte sich schon wieder fangen würden, einerlei, was er so treibt. Doch so einfach ist es nicht. Bei Finanz- oder Eurokrise war klar, dass die Krise vorüber geht und danach die Welt wieder mehr oder weniger so sein würde, wie sie es vorher war. Die neue Weltordnung, die Trump zu erzwingen sucht, könnte dauerhaft sein – und genau deshalb auf den Widerstand der Märkte stoßen.

    Schlag nach bei Böhm-Bawerk

    »Macht oder ökonomisches Gesetz« heißt der Klassiker zu unserem Thema. Die Schrift, 1914 erschienen, stammt von dem österreichischen Ökonomen und Juristen Eugen Ritter Böhm von Bawerk (1851 bis 1914). Böhm-Bawerk war nicht nur Hochschullehrer, sondern dreimal auch österreichischer Finanzminister. Die zentrale Fragestellung seines Aufsatzes lautet, ob private oder staatliche Macht die Chance haben, sich gegen das ökonomische Gesetz durchzusetzen. Und die Antwort, kurzgefasst, lautet: Nein. Böhm-Bawerk ist der Meinung, dass der Menschenwille, und komme er auch in Gestalt des mächtigen Staatswillens daher, gegen die ökonomischen Gesetze machtlos bleibt und dass auch mit »künstlichen Eingriffen gesellschaftlicher Gewalten der Strom des wirtschaftlichen Geschehens sich nicht aus gewissen Bahnen herausdrängen« lässt.

    Trifft die These zu, bräuchten wir uns vor der Macht Trumps nicht sonderlich zu fürchten, denn das ökonomische Gesetz zwingt sie früher oder später nieder. Es wäre zugleich eine Warnung an alle Mächtigen oder Möchtegernmächtigen, sich die Vergeblichkeit ihres Anspruchs vor Augen zu führen. Schließlich gibt es keine Macht außer der Macht des ökonomischen Gesetzes, der wir uns beugen müssten. Ein Gesetz aber, selbst wenn es kein Naturgesetz ist, entzieht sich – anders als von Menschen gemachte Institutionen – dem machtbewussten, manipulierenden Zugriff der Menschen.

    Böhm-Bawerk leugnet nicht das Vorhandensein privater oder staatlicher Macht. Im Gegenteil sieht er in der modernen Wirtschaftsentwicklung den Einschlag sozialer Macht immer stärker werden. Trusts, Kartelle, Monopole aller Art drängen auf der einen Seite in den Markt, Arbeiterorganisationen und Gewerkschaften drohen von der anderen Seite mit Streiks und Boykotten, allemal mit der Absicht, in die Preisbildung und in die Verteilung von Einkommen und Vermögen einzugreifen und das Marktergebnis zu manipulieren. Der Markt ist vermachtet. Monopole wollen durch die Verknappung des Angebots und höhere Preise die Produzentenrente vergrößern auf Kosten der Konsumentenrente. Das ist der Schaden für die Allgemeinheit, den sie anrichten. Eine ähnliche, womöglich noch verheerendere Wirkung haben Zölle und aus ihnen resultierende Handelskriege. Allemal geht das zu Lasten der Verbraucher. Sie erleiden Wohlfahrtsverluste, weil das Angebot größer sein könnte als es tatsächlich ist, noch dazu mit einem für sie günstigeren Preis. Entstandene Wohlfahrtsverluste sind letztlich die ökonomische Begründung dafür, warum politische Macht schädlich ist – und sich auf Dauer nicht durchsetzen lässt.

    Vielleicht sollte man als Warnung einem der ökonomischen Berater Trumps Böhm-Bawerks Schrift in die Hand drücken. Der Text wurde 2010 unter dem Titel »Control or economic law« ins Englische übersetzt und ist online beim Mises Institute verfügbar. Ob es etwas nützt? Ich fürchte Nein.

    Rainer Hank