Hanks Welt
‹ alle Artikel anzeigen14. April 2025
Lauter OpportunistenWarum die Konzern sich an Trump ankuscheln
Nehmen wir an, eine Investmentgesellschaft bietet ihren Kunden einen Fonds als »grünes Impact-Investment« an und einen anderen als »langfristig risikooptimiert«. Was ist der Unterschied zwischen den beiden Finanzprodukten? Antwort: Es gibt keinen. Hinter den beiden Überschriften verbirgt sich jeweils der gleiche Fonds. Die Anschlussfrage: Warum machen die das dann? Antwort: Weil das eine Produkt in Deutschland verkauft wird, das andere in den USA. In Deutschland müssen die Manager die ESG-Regeln einhalten, in Amerika sind die vergleichbaren DEI-Regeln unter Trump verboten. Das ist beide Male jeweils rechtlich bindend und muss im »reporting« nachgewiesen werden.
Zum Hintergrund: DEI bedeutet »Diversity, Equity, Inclusion« – grob übersetzt als »Vielfalt, Gleichheit, Einbeziehung«. Diese Vorschriften fordern, in Organisationen ein Umfeld zu schaffen, in dem alle Mitarbeiter unabhängig von Geschlecht, ethnischer Zugehörigkeit und sexueller Orientierung gleiche Chancen und respektvolle Behandlung erfahren. Ziel von DEI war es, eine Kultur der Zugehörigkeit zu etablieren. Präsident Trump hat DEI kassiert, weil er es für den Ausbund des Woke-Kapitalismus hält, der seinerseits massiv diskriminierend sei: Leistungsbereite Männer zum Beispiel haben Nachteile gegenüber Frauen oder Queer-Personen mit dunkler Hautfarbe, sofern diese »nur« wegen Geschlecht und Hautfarbe bevorzugt werden. Die Nichteinhaltung der Anti-Woke-Gesetze kann zu Strafen und zu möglichen Einschränkungen des Geschäftsbetriebs in den USA führen. Die amerikanische Anwältin Rachel Cohen hat gerade berichtet, wie rabiat die Trump-Administration vorgeht – und sich selbst mutig dem Oktroy verweigert (FAZ vom 25. März). Die meisten Firmen sind nicht mutig und fügen sich.
ESG steht für Enviromental, Social und Governance. Auf deutsch »Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung«. ESG ist in der EU vorgeschrieben mit dem Ziel, die Unternehmen zu Nachhaltigkeit und zur Wahrnehmung ihrer gesellschaftlichen Verantwortung zu verpflichten. Darunter fallen Vorschriften für gute Arbeitsbedingungen, die Einhaltung von Menschenrechten, von Diversität und vor allem von klimafreundlichem Zielen. Ähnlich wie in den USA nur mit umgekehrten Vorzeichen führen Zuwiderhandlungen zu Strafen und der Drohung langfristigen Marktausschlusses. Und die Firmen fügen sich.
»Reframing« heißt die Devise
Global tätige Konzerne, die in der EU und in den USA Geld verdienen wollen, geraten durch die sich widersprechenden Vorschriften in die Bredouille. Sie müssen sich etwas einfallen lassen. Das ist die Stunde der Juristen und Unternehmensberater. »Re-Framing« heißt das Zauberwort. Es geht darum, DEI sprachlich zu entschärfen. Denn natürlich sind »grüne« Finanzprodukte, die in klimafreundliche Firmen investieren, automatisch »langfristig risikooptimiert«; langfristig werden nur solche Firmen überleben. Tunlichst vermeiden sollte man, von »nachhaltig risikooptimiert« zu sprechen, denn das Wort »nachhaltig« wäre woke kontaminiert. Angepasste Unternehmen reden jetzt auch nicht mehr über Inklusion und Diversität, sondern über Innovation, Performance durch Vielfalt und Talentförderung.
Wer würde bestreiten, dass die Förderung vieler Frauen der innovativen Talentförderung dient? Man muss das Kind jetzt nur einfach anders nennen. Hatte es bislang geheißen, man strebe nach »Vielfalt, Gleichberechtigung und Inklusion«, so wird diese Formel heute ersetzt durch das Bekenntnis zur Förderung eines »integrativen Umfeldes, das Mitarbeiter zu Höchstleistungen anspornt«. Okay, die neue Formulierung klingt einen Tick mehr meritokratisch und weniger nach Work-Life-Balance-Bequemlichkeit. Ob die Rechnung aufgeht, ist unsicher. Die Leute in der Trump-Administration sind nicht doof und ziemlich unberechenbar, heißt es: Regelmäßig werden die neuen Vorschriften verschärft.
Vorher ging es andersrum zu. Die Firmen haben alle Aktivitäten so lange gebogen, bis sie grün und klimafreundlich wurden, was man dann als »greenwashing« bezeichnete. Und sie haben sich tunlichst gehütet, ihr Geld in die Rüstungsindustrie zu investieren. Denn Produkte, die Menschen töten, widersprechen den ESG-Regeln. Ohne ESG wäre Europa heute auf den neuen kalten Krieg besser vorbereitet.
Firmen verhalten sich opportunistisch. Nachdem zunächst in Amerika ein Unternehmen nach dem anderen umgefallen ist – angeführt von den Tech-Giganten im Silicon Valley -, zieht jetzt der Rest der Welt nach. Sie entfernen die vollmundigen DEI-Angebereien von ihrer Homepage, kassieren die Stabsstelle des »Chief Diversity Officers«, und übertrumpfen sich in Ergebenheitsadressen gegenüber der Trump-Administration. Man könnten von Herden-Verhalten sprechen.
Schlag nach bei Milton Friedman
Soll man den Unternehmen diesen Opportunismus vorwerfen? Ich fände das bigott. Ziel eines Unternehmens ist es nicht, Oppositionspolitik zu betreiben. Ziel ist, hart kapitalistisch formuliert, Geld zu verdienen, Profite zu machen zum Wohle der Aktionäre. Oder humanistischer formuliert: Ziel eines Unternehmens ist es, die Bedürfnisse seiner Kunden zu befriedigen. Es sei wichtig, »dass die Patienten uneingeschränkten Zugang zu unseren innovativen Medikamenten und Diagnostika haben«, verlautet aus dem Schweizer Pharma-Konzern Roche. Wollen wir lieber keine gute Medizin bekommen, weil der entsprechende Pharmakonzern ein Signal gegen Trump setzen wollte? Eher sollte man darüber nachdenken, ob es eine gute Idee ist, dass Staaten DIE- oder ESG-Regeln erlassen.
Sollen die Firmen lieber moralisch-politisch korrekt bleiben und sich vom amerikanischen Markt zurückziehen? Sollen sie nicht. Sie sollen dann aber auch keine Kampagnen gegen die AfD unterstützen. Und sich als moralische Saubermänner und Sauberfrauen gerieren im Auftrag der Rettung der Demokratie. Vieles spricht in der Tat dafür, dass die liberale Demokratie derzeit enorm gefährdet ist. Sie zu retten ist Sache der Zivilgesellschaft. Wollen wir wetten: Käme die AfD an die Macht, eine Vorstellung, bei der es einen schüttelt, die deutschen und internationalen Unternehmen wären die ersten, die sich in Ergebenheitsadressen an Alice Weidel übertreffen würden.
Am Ende läuft es auf die viel gescholtene Friedman-Doktrin hinaus: The Social Responsibility of Business Is to Increase Its Profits. Es ist das Ziel eines Geschäfts, Geschäfte zu machen. Konzerne sind keine politischen oder moralischen Anstalten. Sie sollen nicht die Welt verbessern – oder anders gesagt: Sie sollen die Welt verbessern, indem sie den Menschen zu besseren Produkten und Dienstleistungen verhelfen. Das ist dem Kapitalismus nachweisbar brillant gelungen seit dem Boom der industriellen Revolution Anfang des 19. Jahrhunderts: Wir alle leben länger, leben gesünder, leben reicher.
Rainer Hank