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  • 02. Januar 2025
    Das Evangelium nach Peter Thiel

    Peter Thiel Foto Wikipedia

    Dieser Artikel in der FAZ

    Ein Internet-Milliardär und das Erbe von René Girard

    Dass Donald Trump den Untergang bringt und zusammen mit Tesla-Twitter-SpaceX-Milliardär Elon Musk als »Duo Infernale« (»Der Spiegel«) uns alle ins Elend reißen wird, haben wir inzwischen begriffen. Bis zum Amtsantritt des Leibhaftigen am 20. Januar ist noch ein bisschen Zeit. Ich empfehle, vom Modus des Diabolisierens in den des Analysierens zu wechseln.

    Dass die USA ein gespaltenes Land sind, ist bekannt. Neu war mir indes, in meiner samstäglichen Lieblingskolumne der Financial Times (»Data Points«) zu lesen, dass die Anhänger der Demokraten deutlich mehr zur Spaltung beigetragen haben als die Republikaner. So sprechen sich seit Mitte der neunziger Jahre konstant zwischen 30 und 40 Prozent der Konservativen dafür aus, die Migration zu begrenzen. Bei den Demokraten dagegen waren noch im Jahr 2000 ebenfalls 20 Prozent der Meinung, es gebe zu viel Einwanderung. Inzwischen plädieren 40 Prozent von ihnen dafür, mehr Migranten ins Land zu lassen. Das mag man gut finden; bloß sollte man die Spaltung des Landes nicht komplett Trump anlasten.

    Das heißt im Umkehrschluss: die Trump-Bewegung erschöpft sich nicht nur in den Entertainer-Qualitäten ihres Anführers. Mehr als fünfzig Prozent der Wähler und eine Vielzahl ganz unterschiedlicher kluger Köpfe, die sich ihm angeschlossen haben, müssten eigentlich unsere intellektuelle Neugier wecken – nicht um die Truppe zu preisen, aber um sie besser zu verstehen.

    Nehmen wir den Tech-Milliardär Peter Thiel. Kluge Freundinnen haben mir immer wieder zugeraunt, der sei besonders gefährlich, aber irgendwie scheinen sie ihn intellektuell verführerisch zu finden: Ein Unternehmer, der sich als Hardcore-Libertärer versteht, mit dem Katholizismus flirtet und als schwul outet – so etwas haben wir in Deutschland nicht; das gibt es nur im Silicon Valley. Wir haben dafür Robert Habeck, – »so lässig, so charming« (Annalena Baerbock).

    Facebook, Palantir & Co.

    Die Biografie in kurzen Zügen. Thiel, Jahrgang 1967, wird in Frankfurt am Main geboren. Wenig später wandern die Eltern nach USA aus. Thiel studiert Philosophie und Jura an der Stanford Universität, arbeitet bei einer New Yorker Kanzlei und wendet sich den Finanzmärkten zu. Ende der neunziger Jahre beteiligt er sich am Internet-Bezahlsystem PayPal, das später für 1,5 Milliarden Dollar an Ebay verkauft wurde. Thiel finanziert Mark Zuckerbergs Facebook; dessen Börsengang spült abermals viel Geld auf sein Konto. Später gründet er die Datenanalysefirma Palantir. Aktuell wird sein Vermögen auf gut 12 Milliarden Dollar geschätzt. Trumps Vize J.D. Vance bezeichnet Thiel als seinen Mentor. Thiel will gewinnen; als Kind habe er es gehasst zu verlieren, erzählt er – ganz besonders beim Schach.

    Thiel hat sich in der ersten Trump-Regierung sehr für diesen engagiert, freilich damals schon gewarnt: »Die eigenen Gesetze zu ignorieren, geht in einem liberalen Rechtsstaat nicht.« Im jüngsten Wahlkampf hat er sich eher zurückgehalten, anders als sein alter Kumpel Elon Musk. Natürlich bekam Trump abermals Thiels Stimme. Doch dessen »Clowns Show« sei ihm fremd, gab er zu Protokoll. Und den Slogan »Make America Great Again« findet er daneben, weil es ein Verlierer-Slogan sei. Das Silicon Valley hat er schon vor geraumer Zeit verlassen: »Zu viel Konformismus«. Heute lebt er in Los Angeles, versteht sich als »Contrarian«, als Nonkonformist.

    Thiel ist intellektuell umtriebig. Geprägt wurde er von dem französisch-kanadischen Philosophen René Girard (1923 bis 2015), bei dem er in Stanford studiert hat. Von ihm stammt die Theorie des »mimetischen Begehrens«. Wir begehren, was andere begehren, nicht weil wir es tatsächlich haben wollen, sondern weil wir den Drang verspüren, die Wünsche Anderer nachzuahmen (deshalb »mimetisch«). Dieser Wettbewerb ist zerstörerisch, führt zu Leid und Unglück. Das meint Thiel mit seinem missverständlichen Satz »Competition is for loser«, Wettbewerb sei für Verlierer. Man kann ihn natürlich auch als Aufruf zur Bildung von Machtmonopolen deuten. Thiel unterscheidet zwischen destruktivem und kreativem Wettbewerb und hält es auch hier mit Girard: »Das Geniale des ökonomischen Liberalismus besteht in der Tatsache, dass er die Freiheit mimetischer Rivalität zum Wohle unseres Wohlstands ermöglicht.«

    Über René Girard kommt Peter Thiel nicht nur zur Beschäftigung mit dem christlichen Erlösungsglauben, sondern auch mit der politischen Theologie des deutschen Staatsrechtlers Carl Schmitt (1888 bis 1985). Das hat ihm Kritik eingetragen, weil Schmitt als Kronjurist der Nazis gilt – was viele deutsche Linke nach 1945 nicht hinderte, Schmitt zu bewundern. Thiel sieht Parallelen zwischen Deutschland in den Zwanzigerjahren des letzten Jahrhunderts und dem heutigen Amerika: Beide Male ist der Liberalismus auf dem Rückzug. Das könne daran liegen, dass die Liberalen die zentrale politische Unterscheidung zwischen Freund und Feind nicht ernst genug genommen haben. Liberale, begeistert von einer durch weltweiten Handel global versöhnten Ordnung, haben sich der Illusion einer Welt ohne Feinde verschrieben. Feinde sind für Liberale lediglich Verhandlungs- und Vertragspartner. Dass das gut gemeint, aber naiv ist, weiß man seit Putin, Xi – und Trump: Ein Staat, der meint, sich durch »Straf«-Zölle schützen zu müssen, kann auch die Weltwirtschaft nur als Schlachtfeld zwischen Feind und Freund verstehen. Die Hoffnung der Liberalen, man könne sich einfach weiter durchwursteln, sei gescheitert, so Thiel.

    Verwickelt in Widersprüchen

    Alle Schlüsselbegriffe der politischen Ökonomie hätten theologische Ursprünge, meint Thiel mit Bezug auf Schmitt. Diese liegen im Kampf zwischen Satan und Gott und einer bleibenden Tendenz zur Destruktion. Das Konzept von Freund und Feind bringe Licht in die Tabuzonen des Liberalismus, in das unterschätzte und verdunkelte Kriegs- und Bürgerkriegsfeld.

    Als Libertärer müsste Thiel eigentlich den Interventionismus und Isolationismus Trumps und dessen Staatsmonomanie ablehnen. Doch da eiert er gewaltig nach dem Motto: hätten nur alle sich an die reine libertäre Lehre gehalten, wäre die Theorie für die Praxis tauglich. Da aber die Chinesen unfair spielen, also böse sind, müssen wir jetzt eben zurückschlagen. Staatskritik gegen den linksliberalen Staat der woken Political Correctness – davon kann Thiel nicht genug kriegen. Trumps Big Government legitimiert er. Konsequent ist das nicht.

    Wer jetzt von Peter Thiel angefixt ist, dem sei das Gespräch empfohlen, dass der Ökonom Tyler Cowen mit ihm geführt hat. Dass sich zwei Wirtschaftsleute ausschließlich über Theologie unterhalten, ist hierzulande eher unüblich. Über die Lage nach der Trump-Wahl gibt es im Netz einen guten Talk der Journalistin Bari Weiss mit Thiel. Beides lässt sich leicht googeln.

    Rainer Hank